Haftung Altenpflege Aufsicht

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Die Altenpflege hat vielfältige Aufsichts-, Obhuts- und Überwachungspflichten.

Ich zeige, wann und wie weit sie notwendig sind, und wo ihre Grenzen liegen.

Auch auf der offenen Station besteht grundsätzlich eine Pflicht, Bewohner, deren Verhalten unkontrolliert und unvernünftig ist, vor Eigengefährdung zu schützen.

Sicherungskonzepte werden erstellt.

Als Maßstab gilt: Wieviel Schutz und Kontrolle sind erlaubt und notwendig und wo beginnen Freiheitsbeschränkung und Freiheitsentzug?

Ziel muss es sein, dass auch der alte Mensch mit geistigen und körperlichen Gebrechen sich möglichst lange in einer Umgebung mit möglichst wenigen Beschränkungen aufhalten darf.

Der Sachverhalt

Die Pflegekraft P. betreut auf ihrer Station viele demente Menschen. Sie sind nicht aggressiv, aber höchst mobil, unruhig, und es besteht die Gefahr, dass sie in unbeobachteten Momenten weglaufen und das Haus verlassen. Bei einigen von ihnen müssen regelmäßig Werte wie Blutzucker oder der Blutdruck gemessen werden.

P. hat gut zu tun, alle im Blick zu behalten und darauf zu achten, dass keiner zu Schaden kommt. Es handelt sich nicht um eine »beschützende« Station, so dass im Prinzip freier Zugang von und zur Station gewährleistet ist.

Dennoch darf das Pflegepersonal möglicher Eigengefährdung der Bewohner nicht tatenlos zusehen. Zu deren Sicherheit muss ein Konzept verfasst sein, das die hilflosen Bewohner davor bewahrt, dass sie sich durch willkürlichen und unkontrollierten Bewegungsdrang in Gefahr begeben. Außerdem sollten sie sich den nötigen medizinischen Kontrollen nicht entziehen können.

Das sind Ihre Fragen

Muss auch eine Station, die nicht »beschützend« ist, Vorsorge dafür treffen, dass die eingeschränkten Menschen nicht auf die Straße laufen, nicht das Treppenhaus hinunterstürzen oder sich anderweitig in Gefahr bringen?

Was sollte Inhalt eines solchen Standards sein? Wieviel Schutz und Kontrolle sind erlaubt und notwendig und wo beginnen Freiheitsbeschränkung und Freiheitsentzug?

Wie sind nicht nur technische Fragen von Schutz und Sicherung der Bewohner zu beantworten sondern auch die rechtlichen Fragen, die damit einhergehen?

Darum geht es

Auch auf der offenen Station besteht grundsätzlich eine Pflicht, Bewohner, deren Verhalten unkontrolliert und unvernünftig ist, vor Eigengefährdung zu schützen. Schließlich soll nicht jeder Bewohner mit Einschränkungen der Einsichtsfähigkeit auf die »beschützende« Station, eine geschlossene Abteilung, verbracht werden.

Mildere Mittel von Schutz und Fürsorge sollen zuvor erprobt werden. Ziel muss es sein, dass auch der alte Mensch mit geistigen und körperlichen Gebrechen sich möglichst lange in einer Umgebung mit möglichst wenigen Beschränkungen aufhalten darf. Die persönliche Bewegungsfreiheit ist auch für ihn ein hohes Gut.


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# Aufsicht über Bewohner mit Demenz

Pflege bemüht sich, desorientierten Bewohnern mit kognitiven und kommunikativen Einschränkungen ihren Bewegungsablauf zu belassen, sie aber gleichzeitig vor unvernünftigen Schritten zu bewahren. Sicherungskonzepte werden erstellt.

 Diese Personengruppe könnte durch die Nähe von mehr Begleitpersonen besser geschützt werden, so z.B. durch Alltagsbegleiter.

 Meist fehlt jedoch das Personal.

Mittel der Aufsicht

Manche Einrichtungen setzen auf eine elektronische »Chip-Lösung«. Verlässt der gefährdete Bewohner das Haus, ertönt ein Signal oder es erscheint ein Zeichen auf dem Handy der Pflegekraft. Jetzt muss sie nacheilen und den Bewohner im Freien suchen. Solche Suchaktionen sind auch schon mit polizeilicher Unterstützung abgelaufen.

Dabei ist es lebenswichtig, den Bewohner vor Einbruch der Nacht oder scharfer Kälte zu finden. Käme er zu Tode, würden die getroffenen Sicherungsmaßnahmen auf Geeignetheit und Tauglichkeit geprüft. Würden sie als unzureichend eingestuft, wird aus der Verletzung der Aufsichtspflicht rasch der Vorwurf der fahrlässigen Tötung.

Der Einsatz von Video- und Kameraüberwachung gilt als problematisch. Ist doch die »Dauerüberwachung« ein massiver Eingriff in die Persönlichkeitsrechte eines Menschen, in seine Würde und Privatsphäre. Ihr Einsatz bedarf sorgfältiger Begründung, anderenfalls wird ein Gericht diese Überwachungsform, selbst zum Zweck der Sicherung, kaum genehmigen.

In der Praxis behilft sich die Pflege mit Baby-Phon oder Matratzen, die Signale senden, wenn die Person sich erhebt. Auf anderen Stationen bleiben einfach die Zimmertüren zu den Fluren geöffnet. Das Herstellen von Sicht- und Hörkontakt ist ein gutes Mittel, um alsbald zu bemerken, ob ein Bewohner sich entfernen will oder sonstige Abweichungen von üblichen Bewegungsabläufen drohen.

Richterlicher Vorbehalt

Je intensiver und flächendeckender Überwachungstechnik zum Einsatz kommt, umso eher bedarf sie der richterlichen Genehmigung. Schaut die Pflegekraft einfach nur engmaschig in die Räume des Bewohners, ist dieser Vorgang frei von Genehmigungserfordernissen. Übernähme ein Kameraauge diesen Vorgang, läge der Fall anders.

Hinweis:
Besser ein Schutz- oder Sicherheitskonzept mehrfach überarbeiten!

Versperrt sich ein Bewohner ganz und gar den Aufsichtsbemühungen und besteht die akute Eigengefährdung fort, wird der Gang zum Betreuungsgericht unausweichlich. Jetzt ist ein Antrag auf Genehmigung seiner Unterbringung zu stellen. Dieser strenge Entzug der persönlichen Freiheit bedarf eines richterlichen Beschlusses!


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# Umgang mit Gerätemedizin und Monitor

Nicht nur in Krankenhäusern sondern auch in Pflegeeinrichtungen kann der Umgang mit medizinischem Gerät (Medizinprodukten) zum Alltag gehören. Es muss nicht immer ein Monitor sein, wie er auf einer Intensivstation zur Ausstattung gehört. Aber Blutdruckmessgeräte, Vorrichtungen zur Ermittlung von Blutzuckerwerten, Infusionen oder Umgang mit PEG-Sonden sind Gerätschaften, die auch in der Altenpflege längst Einzug gehalten haben.

Obwohl Pflegeheime sich als Wohnaufenthalt verstehen und nicht als Krankenanstalt, übernehmen sie zum Teil weitreichende medizinische, sogar intensivmedizinische Funktionen am Bett schwerstpflegebedürftiger Menschen. Man denke nur an Geräte zur Beatmung oder an die Versorgung von Venenkathetern.

Anwendung und Einweisung

Kommen technische Geräte am Patienten zum Einsatz, sind vorab deren Funktionsfähigkeit – nötigenfalls durch Probelauf – zu überprüfen. Nur wer ordentlich in die Handhabung des Geräts eingewiesen wurde, darf es auch anwenden. Wer sich am Gerät nicht auskennt, hat es auch nicht zu bedienen.

Hinweis:
Oftmals ist dieses technische Equipment Eigentum des Heimträgers. Beschädigt die Pflegekraft das Gerät, beschädigt sie Arbeitgebereigentum. Hat sie grob fahrlässig gehandelt, könnte der Arbeitgeber für die Beschädigung Schadensersatz fordern, z.B. in Höhe der Reparaturkosten.

Auswertung

Nicht nur die Handhabung des Geräts ist von Bedeutung. Letztlich soll die Pflegekraft in der Lage sein, die ermittelten Werte (Blutdruck, Blutzucker) auch in medizinischer Hinsicht richtig einzuordnen.

Dafür benötigt sie medizinische Grundkenntnisse, die es ihr ermöglichen, die erhobenen Daten über die Messergebnisse einordnen zu können. Sie muss wissen, welche der Daten im Normbereich liegen und ab welchem Wert Anlass für ein sofortiges Einschreiten besteht.

Dann hat sie unverzüglich ärztlichen Rat und Hilfe hinzuzuziehen.


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# Schutzmaßnahmen

Wer »Schutzmaßnahmen« für den Bewohner fordert, hat zwei diametral gegenüberstehende Interessen im Blick zu haben.

Zum einen soll der Bewohner/Patient davor bewahrt werden, aufgrund seiner mangelnden Einsichtsfähigkeit sich selbst zu verletzen. Je weniger vernunftbegabt seine Handlungsweise ist, um so mehr Schutz benötigt er. Bei Bewohnern mit ausgeprägter Autoaggression kann das Schutzbedürfnis außergewöhnlich hoch sein.

Andererseits gilt es, insbesondere auch dem hilflosen Menschen, die ganze Wirkkraft der Grundrechte möglichst uneingeschränkt bereit zu stellen.

Persönlicher Bewegungsspielraum, Schutz der Privatsphäre, in Gruppen zusammenstehen können und Gemeinschaftserlebnisse, seien sie kultureller oder religiöser Art, genießen zu dürfen, sind Formen einer aktiven Grundrechtsausübung.

Sie darf nicht leichtfertig entzogen oder beschränkt werden. Auch nicht im Pflegeheim!

Hinweis:
Ein aktuelles Beispiel hierfür ist die Corona-Krise. Auch hier ist die Debatte geprägt von der richtigen Balance zwischen dem Schutz vor Erkrankung und der Aufrechterhaltung des im Grundgesetz verbrieften Grundrechtestandards.

Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Standards zur Prävention, d.h. Schutzvorkehrungen bei Selbstverletzung und Eigengefährdung, sollten ein stufenweises Vorgehen vorsehen. Immer ist der Schutzzweck abzuwägen gegen das Ausmaß an Einschränkungen und Einengung des Bewohners. Diese Abwägung haben die Pflegeverantwortlichen (in Abstimmung mit dem Arzt) vorzunehmen. Die Begründung sollte sich in der Bewohnerakte widerspiegeln.

Praktisch bedeutet dies, dass ein Bewohner, der zu gewissen Mitwirkungshandlungen noch fähig ist, durch Überzeugungsgespräche und Übungen dazu bewogen werden soll, nicht allein das Zimmer zu verlassen. Für den Fall, dass er das doch tut, werden ihm Glocke, Handlauf und Wegeführung auf dem Flur gezeigt.

Die Freiheitsentziehung

Bei Bewohnern, deren Verhalten nicht mehr steuerbar ist und die hoch aggressiv gegen sich und andere vorgehen, versagen solche Mittel. Freiheitsentziehung, in Form der Unterbringung, oder zeitweise Fixierung könnten in Betracht kommen.

Armmanschetten und das Festbinden der Handgelenke am Bett gehören ebenso dazu wie das Anbringen von Bettseitenteilen. Solche Instrumente sind für die Betroffenen nicht ungefährlich. Abgesehen von der Einschränkung ihrer persönlichen Bewegungsfreiheit könnten sie sich, beim Versuch sich zu befreien, verletzen.

Über solche Einschnitte dürfen die Verantwortlichen auf Station nicht mehr alleine befinden. Auch ein zuvor erarbeiteter Standard zur Durchführung »freiheitsentziehender oder freiheitsbeschränkender Maßnahmen« legitimiert sie nicht, den Bewohner einzusperren oder mit Gurten so zu fixieren, dass seine Bewegungsmöglichkeiten aufgehoben sind.

Hier ist das Betreuungsgericht anzurufen. Es hat über die freiheitsentziehenden Maßnahmen zu entscheiden. Das Gericht hat das »letzte Wort«. Ohne seine Genehmigung zählen die freiheitsentziehenden Maßnahmen als Straftat. (!) Angehörige, aber auch der Medizinische Dienst der Krankenkasse, könnten das verbotene Tun zur Anzeige bringen.

 Vor einem Freiheitsentzug sind immer die verhältnismäßig milderen Mittel zu prüfen. Dazu zählt auch z.B. das Überstülpen von Fäustlingen, um selbstverletzende Handlungen des Patienten zu verhindern.

 Ist eine körpernahe Fixierung unumgänglich, fordert das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich eine Eins-zu-Eins-Betreuung durch therapeutisches oder pflegerisches Personal.

Hinweis:
Diese persönliche Beobachtung und Begleitung des Patienten kann nicht durch Kameraüberwachung ersetzt werden. Insbesondere die Kontrolle der Vitalparameter verlangt den visuellen Augenkontakt.


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# Fazit: Auf den Punkt gebracht

 Die Altenpflege hat vielfältige Aufsichts-, Obhuts- und Überwachungspflichten. Sie beziehen sich auf die Feststellung medizinischer Parameter, aber auch auf das Verhalten des Bewohners, den Grad seiner Gebrechlichkeit und seiner geistigen Defizite.

Die medizinische »Überwachung« des Bewohners setzt einen versierten Umgang der Pflege auch mit Medizintechnik voraus.

Pflege darf der Eigengefährdung der Bewohner nicht tatenlos zusehen. Geeignete Qualitätsmanagementrichtlinien (»Standards«) sollen ein Handlungskonzept anbieten, das die Pflegekräfte umsetzen. Es definiert die besonderen Gefahrenlagen und beschreibt, welche Schritte zum Schutz der Bewohner einzuleiten sind.

Der Schutz des uneinsichtigen Bewohners verlangt den Einsatz von Schutzmaßnahmen. Schutzmaßnahmen gehen oftmals mit der Begrenzung der Bewegungsfreiheit des Schutzbedürftigen einher. Ständige Beobachtung, engmaschige Kontrolle, Kamera und elektronische Chips bedeuten immer auch einen Grundrechtseingriff, der nicht »einfach so« gerechtfertigt ist. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist zu beachten.

Einschneidende freiheitsentziehende Maßnahmen können die ultima ratio, das »letzte Mittel« sein, wenn anders der Schutz des Bewohners vor Eigengefährdung (oder auch Fremdgefährdung) nicht mehr möglich erscheint. Jedoch bedarf es dafür einer richterlichen Genehmigung.

Dr. Uta Holtmann
Rechtsanwältin,
Fachanwältin für Arbeitsrecht


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Dr. Uta Holtmann
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