Haftung Altenpflege Anordnung

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Arzt und Pflegekräfte teilen sich die Behandlung und die Behandlungspflege: Der Arzt gibt den Therapieplan vor, die Pflege setzt ihn um.

Der Arzt hat die Anordnungsverantwortung, die Pflegekraft die Durchführungsverantwortung.

Allerdings muss die Pflegekraft auch nicht jede Anordnung widerspruchslos hinnehmen.

Ich zeige, ob und wann es der Pflegekraft im Einzelfall unzumutbar sein kann, die ärztliche Weisung umzusetzen.

Der Sachverhalt

Bewohner B. wird von seinem Hausarzt Dr. Y. behandelt und ärztlich betreut. Da der Hausarzt nicht so oft ins Heim kommen kann, erteilt er der Pflegekraft P. die Weisung, immer bei Bedarf weitere 10 ml von den Tropfen dem B. zu verabreichen. Der Bedarf soll vor allem vorliegen, wenn B. unruhig wird, nicht schlafen kann oder sogar aggressiv und motorisch auffällig wird.

Da B. ständig Unruhe zeigt und dauernd die Glocke bedient, verabreicht die Pflegekraft P. eifrig die Tropfen. Nach 3 Tagen wird dem B. speiübel, und er kollabiert. Offenbar war die Dosis zu hoch.

P. ist sich keiner Schuld bewusst. Sie hat doch nach Weisung gehandelt.

Das sind Ihre Fragen

Bis zu welchem Grad sind die Weisungen des Arztes für eine Pflegekraft bindend?

Inwieweit darf sie sich auf die Anordnung verlassen, und wann ist dringend Rücksprache zu nehmen?

Soll Pflege selbst dann verantwortlich sein, wenn sie den Arzt mehrfach und wiederholt auf die Symptome und Unverträglichkeiten hingewiesen hat?

Ab wann ist die Grenze erreicht, ab der die Pflegekraft ein echtes Leistungsverweigerungsrecht hat?

Darum geht es

Arzt und Pflegekräfte teilen sich genau genommen die Behandlung und die Behandlungspflege. Der Arzt hat die Anordnungsverantwortung, die Pflegekraft die Durchführungsverantwortung. Der Arzt gibt den Therapieplan vor, die Pflege setzt ihn um.

Der Pflege kommt dabei keine eigene therapeutische Einschätzungsbefugnis zu. Sie hat für die fachgerechte Anwendung von Medikation, Spritzen, Infusion etc. Sorge zu tragen.

Allerdings muss sie auch nicht jede Anordnung widerspruchslos hinnehmen. Zweifel an der ärztlichen Anordnung hat sie zur Sprache zu bringen. Fürchtet sie ernsthafte Gesundheitsbeschädigungen am Bewohner, steht ihr ein Leistungsverweigerungsrecht zur Seite.

Im Einzelfall kann es ihr unzumutbar sein, die ärztliche Weisung umzusetzen.


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# Ärztliche Anordnung

Der Arzt hat seine Anordnungen so zu erteilen, dass sie klar und eindeutig sind. Dies geschieht am besten schriftlich. Mündliche Anordnungen dürfen keinen sprachlichen oder fachbegrifflichen Missverständnissen unterliegen.

Eindeutigkeit

Die ärztliche Verordnung muss klar und verständlich sein. Fachbegriffe und Kenntnis von typischen Arzneimitteln beim Pflegepersonal darf der Arzt voraussetzen. Fehlt es an diesem Grundlagenwissen, ist es auch Sache des Pflegeheims, für qualifiziertes Pflegepersonal Sorge zu tragen.

Hier darf die Pflegeeinrichtung auch nicht gleichgültig sein. Zur Not muss nachgeschult werden.

Bei Bedarf

Die sogenannte Bedarfsmedikation schafft für die Pflege einen gewissen eigenen Ermessensspielraum. Allerdings ist dies nur vertretbar, wenn zusätzlich eine eindeutige Obergrenze bezüglich der Menge festgelegt wird wie auch ein Zeitfenster, innerhalb dessen die Medikation keinesfalls überschritten werden darf.

Rücksprache

Verbleiben Zweifel, ob die Verordnung gesundheitlich vertretbar ist, ist unbedingt mit dem Arzt Rücksprache zu nehmen. Solche Zweifel können aufkommen, wenn das Medikament neu und wenig erprobt ist.

Aber auch heftige Reaktionen des Bewohners auf das verschriebene Mittel werden die Pflegekraft veranlassen, sofort den Arzt zu verständigen.

Missverständnis

Hat die Pflegekraft eine Anordnung akustisch nicht richtig verstanden oder bestehen sprachliche Verständnisschwierigkeiten oder ist die Schrift des Arztes nicht zu entziffern, gilt für die Pflege ein »Stopp-Schild«.

Hier ist vor jeder weiteren Umsetzung zunächst Rücksprache mit dem Arzt zu halten.


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# Pflegekraft als Verrichtungsgehilfe

Als Verrichtungsgehilfe hat die Pflegekraft die Verantwortung für die pflegerische Umsetzung. Sie muss für die medizinische Behandlungspflege qualifiziert sein. Dies erfordert in der Regel eine Ausbildung oder zumindest eine als gleichwertig anerkannte Ausbildung.

Angelerntes oder gar ungelerntes Personal sollte sich nicht mit Spritzen, Infusionen und Arzneimittelverabreichung am Bewohner versuchen.

Hinweis:
Die Grenze zur »gefährlichen Pflege« ist hier rasch erreicht.

Die Durchführungsverantwortung

Die Verabreichung der angeordneten Medikation obliegt der Pflegekraft. Im Grunde setzt die Durchführung viel Sorgfalt voraus. Die Pflegekraft muss Kenntnis haben vom genauen Arzneimittelnamen und der Dosis, aber sie muss auch die Art der Applikation beherrschen.

Problematisch für die Pflegekräfte kann es werden, wenn der Bewohner partout jede Mitwirkung verweigert. Statt zu schlucken verkrampft sich der Bewohner/Patient und zeigt, dass er die Behandlung ablehnt. Hier ist wieder der Arzt gefragt.

Pflege sollte in diesem Fall zunächst den Rückzug antreten. Die Durchführung ist vorerst gescheitert. Zwang an dieser Stelle verbietet sich.

Der Anfänger

Auch die examinierte Pflegekraft ohne große Berufserfahrung kann einmal unsicher sein und im Einzelfall die Verantwortung für das Spritzen nicht übernehmen wollen. Hier hat immer die Sicherheit des Bewohners Vorrang. Dem Anfänger/in muss dann eine erfahrene Kraft zur Seite gestellt werden.

Dieses Eingeständnis sollte nicht zu beruflichen Nachteilen führen, denn schließlich ist es im höchsten Interesse der Pflegeeinrichtung, dass der Bewohner sicher und zuverlässig versorgt wird.


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# Auswahl- und Überwachungsverschulden

In den Pflegeheimen sind die Verrichtungsgehilfen nicht Angestellte des Hausarztes sondern der Pflegeeinrichtung. Das Heim haftet für ihre Befähigung, Kenntnisse und Fertigkeiten.

Auswahl

Dennoch hat der Arzt für seinen Patienten/Bewohner des Heims Schutzpflichten. Ist er der Auffassung, dass unqualifiziertes und unerfahrenes Personal die Behandlungspflege übernimmt, hat er gegenüber der Heimleitung seine Bedenken zu artikulieren.

Geht es um höchst anspruchsvolle Pflegetätigkeit, wie z.B. der Umgang mit Beatmung, müsste der Arzt u.U. durch Bereitstellung seines eigenen Personals für die sichere Behandlung im Pflegeheim Sorge tragen.

Überwachung

Hat der behandelnde Arzt Zweifel an der Anwendersicherheit des Pflegepersonals, kann er sich durch verschiedentliche Demonstrationen und Anleitungen davon überzeugen, dass die Pflegekräfte die nötigen Fertigkeiten erwerben.

Dies kann für einen gewissen Zeitraum bedeuten, dass er mehr Zeit vor Ort aufbringen muss. Diese Mühe wäre dem Wohl des Bewohners zweifelsohne dienlich.


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# Fazit: Auf den Punkt gebracht

Arzt und Pflegekraft teilen sich die Anordnungs- und die Durchführungsverantwortung. Die Pflege sollte für die Durchführung von Behandlungspflege hinreichend qualifiziert sein. Berufserfahrung und sicherer Umgang mit den Arzneien und Medizinprodukten sind wichtig.

Stets hat die Sicherheit des Bewohners Vorrang. Ist sich die Pflegekraft nicht sicher, wie sie vorgehen soll, ist unbedingt die Unterstützung durch fachlich Erfahrene hinzuzuziehen.

Die behandelnden Ärzte, aber auch Heimleitung und die Pflegedienstleitung, sollten rechtzeitig erkennen, wann Nachschulungen nötig sind.

Dr. Uta Holtmann
Rechtsanwältin,
Fachanwältin für Arbeitsrecht


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