Haftung Altenpflege Schweigepflicht

→ Haftung  Altenpflege Schweigepflicht

 Ärzte und Pflegekräfte, auch jene, die sich noch in Ausbildung befinden, unterliegen einer umfassenden Schweigepflicht bezüglich der zahlreichen Daten und Fakten, die sie über die Bewohner sammeln und verwalten.

Ich erläutere die ethischen und gesetzlichen Grundlagen dieser Schweigepflicht.

 Ich zeige außerdem auf, welche neue Aktualität in Zeiten von »Corona« die Meldepflichten nach dem InfSchG erlangt haben.

• In der Altenpflege »sammeln« sich zahlreiche Daten und Fakten über die Bewohner. Der Umgang mit diesen Daten ist strengen Datenschutzbestimmungen unterworfen.

• Ihre Erhebung, Speicherung und Nutzung ist nur für den Zweck des Heimaufenthalts erlaubt und gerechtfertigt.

• Auch das Pflegepersonal unterliegt einer strengen Verschwiegenheitsverpflichtung. Die Weitergabe oder Offenbarung personenbezogener Daten an andere Personen oder Institutionen setzt deren »berechtigtes Interesse« voraus.

• Auch das Gesetz selbst kann ausnahmsweise eine Durchbrechung von der Schweigepflicht vorsehen, wenn es gilt, höherwertige Rechtsgüter zu schützen.

• Verstöße gegen die Pflicht zur Verschwiegenheit können für das Pflegepersonal strafrechtliche und arbeitsrechtliche Folgen haben.

• Die Meldepflichten nach InfSchG dienen dazu, die epidemische Ausbreitung von ansteckenden Krankheitserregern frühzeitig zu verhindern.

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Der Sachverhalt

 Pflegekraft P. weiß, wie es um die Gesundheit ihrer Bewohner bestellt ist. Sie weiß, wer von den Bewohnern soziale Kontakte pflegt und wer keine Angehörigen hat und allein ist. Sie kann das Fortschreiten der Gebrechlichkeit, aber auch den geistigen Verfall ihrer Bewohner beobachten. Sie kennt die Betreuer und die behandelnden Ärzte.

 Sie wird nicht selten im Ort gefragt, wie es dem Bewohner X. oder der Bewohnerin Y. geht. Auch Besucher im Heim erkundigen sich manchmal nach dem Befinden von Bewohnern, vor allem wenn sie diese von früher kennen.

 Einerseits findet P. die Fragen sehr fürsorglich, andererseits weiß sie, dass sie einer Schweigepflicht unterliegt, die ihr eigentlich jede Auskunft verbietet.

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Das sind Ihre Fragen

• Verbietet es die Schweigepflicht den Pflegekräften in jeder Situation, zum Aufenthalt oder der Befindlichkeit von Bewohnern Angaben zu machen?

• Wann darf die strenge Pflicht zur Verschwiegenheit durchbrochen werden?

• Bezieht sich die Schweigepflicht auch auf Arztberichte, die Bewohnerakte sowie auf administrative Vorgänge, wie z.B. den Heimvertrag?

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Darum geht es

• Es ist eine Fülle von personenbezogenen Daten, die über jeden einzelnen Bewohner im Heim erhoben und bekannt werden. Grundsätzlich hat der Bewohner ein Recht darauf, dass dieses Wissen über seine Gesundheit, seine privaten Verhältnisse, seine Pflegegutachten, seine Vermögensverhältnisse und die Frage, ob er unter Betreuung steht oder nicht, geheim bleibt. Auch den noch so mitfühlenden Zeitgenossen ist dieses Wissen grundsätzlich vorzuenthalten.

• Auch bei schriftlichen Anfragen muss das Heim genau prüfen, ob der Antragsteller einen Anspruch auf die Informationen hat. Anfragen, beispielsweise der Pflegekasse, sind in der Regel legitim. Ist doch der Bewohner als versichertes Mitglied gegenüber seiner Kasse zur Mitwirkung verpflichtet.

• Bei anderen Antragstellern mag dies nicht so eindeutig sein. Sie müssen ihr »berechtigtes Interesse« an der Auskunft nachweisen und darlegen.

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# Schweigepflicht von Behandlern

Ärzte und Pflegekräfte, auch jene, die sich noch in Ausbildung befinden, unterliegen einer umfassenden Schweigepflicht. Sie dürfen weder mündlich noch telefonisch Angaben machen gegenüber Dritten.

 Sie sollten sich hüten, in Korrespondenz und Schriftwechsel oder im E-Mail-Verkehr Angaben über sensible personenbezogene Umstände ihrer Bewohner zu machen, wenn die Empfänger nicht eindeutig legitimiert sind und diese Auskünfte wirklich erhalten dürfen.

Verschwiegenheit als Berufsethos

 Die Verschwiegenheit dient zweierlei. Zum einen soll der Bewohner davor geschützt sein, dass höchstpersönliche private und privateste Umstände an eine allgemeine Öffentlichkeit oder an Einzelpersonen gelangen, die all dies nichts angeht. Die Privatsphäre des Bewohners ist zu schützen.

 Zum anderen ist es wichtig, dass dem Berufsstand von Ärzten, von Pflege und Behandlern im weitesten Sinn höchstes Vertrauen entgegengebracht wird. Wie soll ein Befund abgeklärt oder eine Anamnese durchgeführt werden, wenn Patient und Bewohner fürchten müssten, dass ihre Mitteilungen an Dritte weitergegeben oder von Dritten jederzeit beliebig abgerufen werden können. Kaum ein Kranker würde sich seinem Arzt oder der Pflegekraft noch anvertrauen.

 Dieses Vertrauen darf nicht erschüttert werden. Es ist zu schützen.

Rechtsgrundlagen

 Die Schweigepflicht ist sehr vielfältig verankert. Der Arbeitsvertrag für Pflegepersonal weist (meist) ausdrücklich auf die Schweigepflicht hin. Wird dagegen verstoßen, könnte der Bewohner ein Schmerzensgeld verlangen.

 Der Arbeitgeber kann wegen arbeitsvertraglicher Pflichtverletzung die angestellte Pflegekraft abmahnen oder ihr kündigen. Zumindest dürfte ein intensives Vorgesetzten-/Mitarbeitergespräch die Folge sein.

 Aber auch einschlägige Tarifverträge, insbesondere die des Öffentlichen Dienstes wie TVÖD oder TV-L, enthalten Tarifklauseln zur Verschwiegenheit. Und die landesrechtlichen Bestimmungen zur Qualität von Alten- und Pflegeheimen können ebenfalls die Verschwiegenheit als Merkmal zur Sicherung der Qualität herausheben.

 Verstöße gegen die Pflicht zur Verschwiegenheit sind strafbar.

 Dabei reicht es für den »Vorsatz«, wenn der Geheimnisträger unreflektiert irgendwelche Anfragen zur Person des Bewohners beantwortet. Eine »böse« Absicht im Sinn einer Schädigung ist nicht erforderlich.


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# Personenbezogene Daten

Jede Pflegeeinrichtung hat vielfältige Kenntnis über die personenbezogenen Daten ihrer Bewohner. Zu diesen hochsensiblen Daten gehören Angaben zum allgemeinen Gesundheitszustand, aktuelle Diagnosen und Therapien, zum Grad der Pflegebedürftigkeit, aber auch zu familiären Verhältnissen sowie den Einkommens- und Vermögensverhältnissen.

Erhebung

 Wie bei allen personenbezogenen Daten muss deren Erhebung »erlaubt« sein. Eine Erhebung liegt bereits in jeder Abfrage, sei es im persönlichen Gespräch oder in einem Fragebogen. Auch die digitale Abfrage stellt eine Erhebung dar.

 Daher sollte der Befragte vorab darüber aufgeklärt werden, zu welchem Zweck er befragt wird, und es muss geklärt werden, dass er mit der Erhebung auch ausdrücklich einverstanden ist.

 Für denjenigen, der selbst nicht mehr fähig ist, Erklärungen in eigener Sache abzugeben, handelt sein Betreuer.

Speicherung

 Das Pflegeheim kann und soll die gewonnenen Erkenntnisse zum Wohle des Bewohners verwenden. Der Zweck und die Dauer des Aufenthalts rechtfertigen die Aufbewahrung. Fragen, ob der Bewohner seinen Aufenthalt noch aus eigenen Mitteln finanzieren kann oder ob seine Gebrechlichkeit eine Neueinstufung bei der Pflegekasse verlangt, haben Pflegeheim und Pflegekräfte im Blick zu behalten.

 Je nachdem sind Anträge auf unterstützende Sozialhilfe (Grundsicherung) zu stellen oder ein Antrag auf Einstufung in einen höheren Pflegegrad.

Löschung

 Ist der Heimaufenthalt beendet, sind üblicherweise diese Daten zu löschen. Allerdings nicht sofort. Schließlich muss das Heim gewappnet sein, wenn zeitlich nachgelagert Ansprüche gestellt werden. So könnte die Pflegekasse z.B. noch Fragen haben zur Abrechnung der erbrachten Pflegeleistungen.

 Aber auch die Erben des Bewohners könnten Einblick nehmen wollen in Daten und Fakten, wenn sie etwa Zweifel haben, ob Pflegeleistungen auch wirklich ordnungsgemäß erbracht wurden.


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# Weitergabe von Informationen an Dritte

Die »Weitergabe« der sensiblen Kenntnisse über den Bewohner ist meist verbunden mit einer Versendung oder Übermittlung von Akten und Informationen an Dritte. »Dritter« kann eine Behörde sein, etwa das Betreuungsgericht aber auch ein Arzt oder ein Krankenhaus.

 Das Gericht kann ein Interesse haben, im Rahmen eines Betreuungsverfahrens Angaben zu erhalten zum Gesundheitszustand des Bewohners, die Sozialbehörde will wissen, ob der Heimaufenthalt aufgrund der Gebrechlichkeit des Bewohners auch wirklich nötig ist, und der behandelnde Physiotherapeut möchte wissen, wie die vorbehandelnden Chirurgen nach dem erlittenen Oberschenkelhalsbruch die verbliebene Restbeweglichkeit einschätzen.

Berechtigtes Interesse

 Der »Schlüssel« zur Weitergabe ist das »berechtigte Interesse«. Nur wer ein hinreichendes rechtliches Interesse belegen kann, ist befugt, Einsicht in Patientenakten, respektive Bewohnerakten zu nehmen.

Bei Behörden und Mitbehandlern dürfte das rechtliche Interesse regelmäßig gegeben sein. Heikel wird es, wenn Angehörige, zu Besuch im Pflegeheim, ohne Betreuer oder Bevollmächtigte zu sein, die »Krankenakte« ihres Onkels lesen wollen oder wissen wollen, was eigentlich der ganze Heimaufenthalt so kostet. In solchen Fällen ist ein rechtliches Interesse nicht auszumachen.

Erben können nach dem Versterben des Bewohners ein rechtliches Interesse haben am Einblick in die Unterlagen, wenn sie offene Behandlungskosten oder Heimkosten übernehmen sollen.

Auch wenn sie Anlass zu der Annahme haben, der Verstorbene sei aufgrund von Pflege- oder Behandlungsfehler zu Tode gekommen, können sie zur Vorbereitung von Haftpflichtschadensansprüchen Einsichtnahme verlangen.

Hinweis: In der Tat kann die Krankenakte des Bewohners sehr aufschlussreich sein. Aus ihr lässt sich ablesen, welche pflegerischen Handlungen vorgenommen wurden. Und es lässt sich ablesen, welche Maßnahmen eben nicht durchgeführt wurden. Findet sich beispielsweise in der Akte ein sogenanntes Trinkprotokoll, aus dem hervorgeht, dass der Bewohner massiv dehydriert gewesen sein muss, ist aber an keiner Stelle im Pflegeablauf festgehalten, dass in erhöhtem Maß Flüssigkeit – auch durch Infusion – verabreicht wurde, liegt ein pflegerisches Unterlassen nahe.

Die Einwilligung

 Ist ein Betreuer oder Bevollmächtigter für den Bewohner bestellt, hat Pflege es leicht. Sie kann ihm das Gesuch um Akteneinsicht oder Information vorlegen, sofern es sich um eine Angelegenheit handelt, auf die sich seine Zuständigkeit erstreckt: Er entscheidet über die Weitergabe oder Versendung. Schließlich soll er die persönlichen Belange des Bewohners wahren.

 Ist jedoch niemand für den Bewohner bestellt und er selbst nicht zu eigenen Erklärungen fähig, kann es auf den mutmaßlichen Willen des Bewohners ankommen. Zu prüfen ist, ob es von seinem mutmaßlichen Interesse gedeckt wäre, wenn diese oder jene Information herausgegeben würde.

 In Fällen höchster Eile kann das Abstellen auf den mutmaßlichen Willen genügen. Bei Anfragen, die nicht höchst eilig sind, sollte zur Wahrung der datenschutzrechtlichen Belange für den Bewohner alsbald ein Betreuer bestellt werden.


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# Meldepflicht nach InfSchG

Eine neue Aktualität in Zeiten von »Corona« haben die Meldepflichten nach dem InfSchG erlangt. Die Meldepflichten dienen dazu, die epidemische Ausbreitung von ansteckenden Krankheitserregern frühzeitig zu verhindern.

 Die Sicherheit eines Heimes und der Gesundheitsschutz seiner Bewohner erfordern diesbezüglich ein zügiges und zuverlässiges Einschreiten. Klar ist aber auch, dass die Meldepflicht allein noch keinen Keim oder Virus stoppt.

Meldepflichtige Krankheit

 Die Meldepflicht stellt zunächst mal eine Durchbrechung dar vom Grundsatz der Verschwiegenheit. Aber diese Ausnahme verfolgt ein höherwertiges Interesse, nämlich den Schutz vieler vor epidemischer Erkrankung.

Das Gegensteuern

 Die Pflegeeinrichtung wird bei drohender Gesundheitsgefahr präventiv vorgehen müssen. Grundlagen sind die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts, ergänzt um individuelle betriebliche Pandemiepläne. Ansteckung muss unterbunden werden.

 Dazu dient die Isolierung der Bewohner, ihre Betreuung und Versorgung mit Schutzausrüstung und Masken, aber auch engmaschige Tests, sowohl der Bewohner als auch des Personals.

 Mit der Durchbrechung der Schweigepflicht wird es den zuständigen Behörden ermöglicht, für die Einrichtung als Ganze hoheitliche Anordnungen zu treffen, um so einer Verbreitung entgegenzuwirken.

 Dies kann Aufnahmestopp oder zeitweise Schließung des Heimes bedeuten.


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# Fazit: Auf den Punkt gebracht

 In der Altenpflege »sammeln« sich zahlreiche Daten und Fakten über die Bewohner. Der Umgang mit diesen Daten ist strengen Datenschutzbestimmungen unterworfen.

 Ihre Erhebung, Speicherung und Nutzung ist nur für den Zweck des Heimaufenthalts erlaubt und gerechtfertigt.

 Auch das Pflegepersonal unterliegt einer strengen Verschwiegenheitsverpflichtung. Die Weitergabe oder Offenbarung personenbezogener Daten an andere Personen oder Institutionen setzt deren »berechtigtes Interesse« voraus.

 Auch das Gesetz selbst kann ausnahmsweise eine Durchbrechung von der Schweigepflicht vorsehen, wenn es gilt, höherwertige Rechtsgüter zu schützen.

 Verstöße gegen die Pflicht zur Verschwiegenheit können für das Pflegepersonal strafrechtliche und arbeitsrechtliche Folgen haben.

 Meldepflichten nach dem InfSchG stellen eine Durchbrechung dar vom Grundsatz der Verschwiegenheit. Aber diese Ausnahme verfolgt ein höherwertiges Interesse, nämlich den Schutz vieler vor epidemischer Erkrankung.

Dr. Uta Holtmann
Rechtsanwältin,
Fachanwältin für Arbeitsrecht


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Dr. Uta Holtmann
Rechtsanwältin,
Fachanwältin für Arbeitsrecht

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